Lieber Tierfreund, liebe Tierfreundin,
in diesem Blogbeitrag soll es um das Thema Getreide gehen, ob es sich für die artgerechte Fütterung von Hunden und Katzen eignet und inwiefern die darin enthaltenen Nährstoffe von deinem Vierbeiner verwertet werden können. Doch zunächst möchte ich definieren, was Getreide eigentlich ist.
Was ist Getreide und
was zählt dazu?
Getreide sind einjährige Pflanzen, deren Körnerfrüchte vor allem als Grundnahrungsmittel für uns Menschen aber auch als Viehfutter dienen und heute auch für technische Produkte eingesetzt werden. Nachweislich wurde Getreide bereits vor 7.000 Jahren in Westeuropa angebaut, Wildgetreide sogar schon vor 32.000 Jahren als Nahrungsmittel verwendet.
Getreidekörner bestehen aus einem stärke- und eiweißhaltigen Mehlkörper, einem fetthaltigen Keimling und der Samenschale. Durch das Mahlen der Körner werden die Schalen für die weitere Verarbeitung entfernt. Außer bei Vollkornmehl, da ist dies nicht der Fall. Um ein lagerfähiges Produkt zu erhalten, wird der Keimling zusätzlich entfernt. Aus ihm wird Getreide-Keimöl gewonnen.
Einige Getreidegattungen enthalten Eiweiße, die als Kleber oder Gluten bezeichnet werden. Immer mehr Menschen reagieren auf diesen Bestandteil allergisch. Gluten löst bei ihnen eine Entzündung der Dünndarmschleimhaut aus. Bei Hunden wurde diese erblich bedingte Allergie nur bei einigen Irish-Setter-Linien nachgewiesen. Grundsätzlich ist eine Allergie gegen Getreideeiweiß aber auch beim Hund möglich, allerdings ist Getreideeiweiß nicht per se allergen.
Nicht die im Getreide enthaltenen Kohlenhydrate sind Ursache für Futtermittelunverträglichkeit und Futtermittelallergien, sondern bestimmte Eiweiße, vor allem das Klebereiweiß Gluten. Hohe Gehalte an Gluten haben neben Weizen auch Dinkel, Roggen, Gerste, Grünkern und Urkorn. Glutenfrei sind Reis, Mais, Kartoffeln, Amaranth, Buchweizen, Quinoa, Sesam und Hirse.
Getreide liefert als Nahrungsmittel vor allem Kohlenhydrate, die je nach Getreideart 60 – 75 % ihrer Inhaltsstoffe bilden, aber auch Eiweiß (ca. 9 – 11 %), Fett (ca. 4 %), Mineralien und Vitamine.
Systematik der Kohlenhydrate
Kohlenhydrate sind Energiespeicher von Pflanzen und werden ja nach Kettenlänge in Einfach-, Zweifach- und Mehrfachzucker unterteilt. Die bekanntesten Einfachzucker sind Traubenzucker (Glukose) oder Fruchtzucker (Fruktose). Glukose kommt vor allem in süßen Früchten und Beeren vor, Fruktose in Honig, reifem Obst aber auch in ein paar Gemüsesorten.
Ein typischer Vertreter der Zweifachzucker ist Laktose, die vor allem in Milchprodukten vorkommt. Mehrfachzucker kommen in der Nahrung vor allem in Form von Stärke (z. B. Getreide) und Faserstoffen (z. B. Gemüse) vor.
Kohlenhydrate als Futterbestandteil bei wildlebenden Kaniden?
Kohlenhydrate machen unter natürlichen Bedingungen nur einen geringen Anteil der Nahrung eines Beutegreifers aus. Allerdings haben gerade Hunde in den vielen 10.000 Jahren ihrer Domestikation gelernt ihre Energie nicht nur über Proteine und Fett, sondern auch über Kohlenhydrate zu decken. Früher fraßen domestizierte Hunde die Essensreste der Menschen. Katzen fingen weiterhin Beutetiere, vor allem Mäuse. Sie bekamen nur selten Speisereste oder Milch angeboten, was die unterschiedliche Anpassung der Verdauungssysteme von Hunden und Katzen erklärt.
Hunde gingen einen engen Pakt mit den Menschen ein – sie beschützten und unterstützten sie z. B. bei der Jagd oder als Schlittenhunde. So wurden sie in der Regel auch mit allen verfügbaren Nahrungsmitteln bestehend aus Proteinen und Kohlenhydraten, also verschiedenen Gemüse- und Obst- aber auch Getreidesorten versorgt.
Es ist außerdem davon auszugehen, dass sich die Vorfahren unserer Haushunde auch von Ackerfrüchten, die der Mensch in Urzeiten mühsam anbauen und ernten musste, ernährt hat. Da Hunde – leider – nicht so lange leben wie wir Menschen und der Generationswechsel somit sehr viel schneller vonstattengeht, vollziehen sich evolutionsgemäße Anpassungen natürlich auch in einem kürzeren Zeitrahmen. Fakt ist, dass Hunde heute – anders als Wölfe – mehr Gene zur Ausbildung von Amylase, dem Enzym zum Aufschließen von Kohlenhydraten, besitzen.
Getreide und Gemüse wurden früher allerdings allenfalls gekocht und nicht, wie bei der industriellen Herstellung üblich, mit hohen Temperaturen verarbeitet. Das Erhitzen der Zutaten bei der Produktion von Trockenfutter wird von vielen Forschern der Tierernährung eher für das vermehrte Auftreten von Erkrankungen des Immunsystems, von Allergien und Entzündungen des Verdauungstraktes verantwortlich gemacht, als die grundsätzliche Verwendung von Getreide im Hundefutter.
Getreide in industriell hergestelltem Futter
Kommerziell hergestelltes Trockenfutter enthält überwiegend Kohlenhydrate. Der Anteil des Klebers kommt bei der Herstellung von Kroketten eine wichtige Rolle zu. Auf der Verpackung findet man bei den Analysen jedoch meist keine Angaben zum Kohlenhydratanteil. Dies liegt am Analyseverfahren, der sogenannten Weender Futtermittelanalyse. Durch diese werden lediglich Gruppen von Inhaltstoffen wie Rohprotein, Rohfett, Rohasche, Rohfaser und die Trockensubstanz prozentual bestimmt.
Der Kohlenhydratanteil eines Futters kann jedoch ganz leicht selbst berechnet werden, indem man die Werte von Rohprotein, Rohfett, Rohasche und Feuchtigkeit addiert und den ermittelten Wert von 100 % subtrahiert. Dieser Prozentanteil macht die sogenannten stickstofffreien Extraktstoffe (NfE), also die Kohlenhydrate, aus. In der Regel ist dieser Gehalt im Trockenfutter sehr hoch.
Nicht verdauliche Kohlenhydrate haben als Ballaststoffe (Zellulose, Flohsamen) und Präbiotika (Laktose/Laktulose) für die Darmmobilität und Darmgesundheit eine wichtige Funktion. Für weitere Informationen dazu schau dir gerne meinen Blogbeitrag Das Mikrobiom – Mikroorganismen mit zentraler Bedeutung für die Gesundheit an.
Haben Hunde und Katzen einen Bedarf an Kohlenhydraten?
Bei Katzen ist die Antwort einfach: Nein. Sie können Kohlenhydrate bis heute nicht verwerten, weshalb die BARF-Ernährung auch gänzlich ohne Getreide gestaltet werden sollte.
Beim Hund hingegen gibt es kein klares Ja oder Nein, wie auch die vielen Publikationen zu diesem Thema zeigen. Kurzgefasst kann man sagen, dass Hunde keinen primären Bedarf an Kohlenhydraten haben, aber:
- kohlenhydratreiche Futtermittel gerade bei älteren Tieren zur Schonung von Leber und Nieren durchaus sinnvoll sind, da dadurch der Eiweiß– und Phosphatgehalt im Futter reduziert werden kann und somit u. U. ein weiteres Voranschreiten bestimmter Erkrankungen (v.a. der Niere) verhindert werden kann.
- die Energielieferung und -speicherung diskontinuierlich verläuft, nämlich immer einige Stunden nach der letzten Mahlzeit. Energielieferanten für die Aktivität des Hundes sind in erster Linie Fette, gefolgt von Proteinen und Kohlenhydraten. Der Organismus kann die aus der Nahrung aufgenommene Energie in energiereichen Phosphaten, die vor allem in Muskelzellen und der Leber zu finden sind, zwischenspeichern und bei Bedarf zur Verfügung stellen. Größere Bedeutung zur Energiespeicherung haben aber die Fette, die bei körperlichen Anforderungen oder Nahrungskarenz mobilisiert und wieder zu Glukose, einem Kohlenhydrat, umgebaut werden.
- bei ungewollter Gewichtsabnahme sind Kohlenhydrate durchaus sinnvoll. Der Körper nutzt zur Energieversorgung, wie oben beschrieben, überwiegend Glukose. Wird zu wenig davon aufgenommen, werden Aminosäuren (also Bausteine der Proteine) zu Glukose umgebaut. Die Proteine werden aber an anderen Stellen im Körper benötigt und sollten daher nicht in großem Maße zur Energieversorgung dienen. Zusätzlich werden zur Energieversorgung Ketonkörper aus Fettsäuren gebildet. Andere Baustoffe werden also benötigt und erst umgebaut, um Energie zu gewinnen.
- das zentrale Nervensystem (ZNS) greift nur ersatzweise auf Ketonkörper zurück, in erster Linie verwendet es Glukose als Energiequelle. Bei krankheitsbedingtem Mangel können bei erniedrigtem Glukosespiegel Krämpfe auftreten.
Kohlenhydrate spielen im Stoffwechsel also eine große Rolle, können aber aus anderen Nahrungsbestandteilen auf- und abgebaut werden. Pflanzliche Eiweiße haben im Allgemeinen eine weniger günstige Aminosäurezusammensetzung als tierische Eiweiße, können diese aber gut ergänzen.
Auch aus der Sicht der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) kann die Fütterung von Kohlenhydraten, insbesondere von Getreide, sinnvoll sein. Nach der TCM-Lehre wirkt Getreide oft als Tonikum, das den gesamten Körper anregt und Verdauungsproblemen vorbeugen kann. Es stärkt nach dieser Lehre den Körper, indem es das Qi und das Blut unterstützt und diuretisch, also harntreibend, wirkt.
Tipps zur Fütterung von Kohlenhydraten
Damit Kohlenhydrate als alternative Energieträger von Hunden verwertet werden können, muss die Stärke durch Hitzeeinwirkung aufgeschlossen werden. Hierzu müssen beispielsweise Kartoffeln ca. 10 – 20 min länger als für uns Menschen üblich gekocht werden. Dadurch zerreißen aber nicht nur die Zellwände, es kommt auch zu Verlusten von wasserlöslichen Vitaminen um ca. 15 – 30 %. Durch das Kochen im Druckdampftopf können die Vitaminverluste geringer gehalten werden.
Alternativ zum Kochen kann das Getreide auch durch Mahlen aufgeschlossen werden, damit Hunde die darin enthaltenen Nährstoffe verdauen und verwerten können. In beiden Fällen wir die Getreidestärke aufgeschlossen und die Amylase, ein Enzym zur Kohlenhydratverdauung, kann die Stärke anschließend spalten, sodass alle wichtigen Nährstoffe im Darmtrakt aufgenommen und für den Stoffwechsel genutzt werden können. Wird das Getreide nicht aufgeschlossen, so wird es unverdaut wieder ausgeschieden.
Eine gute Alternative sind Getreide-, Gemüse- oder Kartoffelflocken. Die Stärke wird im Herstellungsprozess durch Druck und Dampf aufgeschlossen. Ein Drittel der Flocken haben etwa den gleichen Energiegehalt wie 100 g des jeweiligen Gemüses bzw. der Kartoffeln. Das bedeutet, dass man durch 10-minütiges Quellenlassen von einem Teil Flocken mit zwei Teilen heißem Wasser einfach und bequem eine BARF-Mahlzeit ergänzen kann.
Ausblick in die USA
Die Ernährung des Hundes unterliegt heutzutage zunehmend Trends von dem die getreidefreie Fütterung ein ganz wesentlicher Aspekt ist. Allerdings gibt es in den USA Forschungsergebnisse, die einen Zusammenhang zwischen dieser Fütterungsform und Herzerkrankungen beim Hund feststellten. Die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (U.S. Food and Drug Administration, kurz FDA) bringt getreidefreies Futter mit einer dilatativen Kardiomyopathie (kurz DCM) in Verbindung. Betroffen waren vor allem Golden Retriever, die eigentlich genetisch keine Disposition für diese Erkrankung zeigen. Bei der DCM handelt es sich um eine Schädigung des Herzmuskels, bei dem die Dicke der Herzwand und somit auch die Kontraktionskraft abnimmt, während gleichzeitig das Herz an Größe zunimmt. Ob wirklich ein Zusammenhang besteht, muss bei weiteren Forschungen festgestellt werden.
Wann sollte ein Hund getreidefrei ernährt werden?
Den Hund getreidefrei zu ernähren ist bei einer nachgewiesenen Getreideallergie oder einer Unverträglichkeit auf Gluten jedoch in jedem Fall sinnvoll. Auch Hunde, die an Diabetes leiden, sollten stärkereiche Futtermittel wie Getreide meiden, da dies zu einem schellen Anstieg des Blutzuckerspiegels führt. Bei Krebs- und Gelenkserkrankungen sowie Epilepsie, Hefepilzbefall und Übergewicht sollte außerdem auch auf die Fütterung von Getreide verzichtet werden.
Getreide bei der BARF-Ernährung
Eine Ergänzung der BARF-Rationen mit kohlenhydratreichen Futtermitteln wie Getreide ist unter Umständen durchaus sinnvoll, auch wenn sie streng genommen nicht in den klassischen BARF-Plan gehören. Kohlenhydrate liefern Energie und wichtige Nährstoffe für die Darmflora. Fleisch und Kohlenhydrate haben jedoch unterschiedliche Verdaulichkeiten, weshalb es empfehlenswert ist, beide Bestandteile getrennt zu verfüttern, damit es nicht zu Verdauungsstörungen kommt. Sollte dein Hund es jedoch gut vertragen, wenn beides zusammen im Napf landet, kannst du Getreide und Fleisch natürlich auch mischen.
Eine ausgeglichene Verteilung der einzelnen Nahrungsbausteine ist für unsere Hund immer am bekömmlichsten und natürlich auch am ausgewogensten. Wir empfehlen daher einen Anteil von 70 – 80 % tierischen Komponenten mit einem durchschnittlichen Fettgehalt von 15 – 25 % im Muskelfleisch. Der Anteil an pflanzlichen Komponenten sollte demnach 20 – 30 % betragen, bestehend aus saisonalem Obst und Gemüse sowie bei Bedarf eben auch Getreide. Der Getreideanteil sollte jedoch immer unter 10 % der Gesamtration liegen.
Das wichtigste auf einen Blick:
- Fütterung von Getreide ist kein Muss, es kann nach vorherigem Kochen aber durchaus von Hunden verwertet werden
- Getreide liefert vor allem Kohlenhydrate, die zur Energiegewinnung beitragen
- auch bei Verdacht auf eine Glutenintoleranz kann Getreide gefüttert werden, dann eben in Form von glutenfreien Getreidesorten
- BARF-Mahlzeiten sollten immer abwechslungsreich und ausgewogen gestaltet werden, damit dein Hund alle wichtigen Nährstoffe aufnehmen und auch problemlos verdauen kann. Der Anteil an Getreide im Futter sollte daher nicht über 10 % liegen
- generell gilt wie so oft: „Balance ist the key“
Zusammenfassend kann man sagen, dass Hunde aufgeschlossenes Getreide verwerten können. Es liefert vor allem Kohlenhydrate und Proteine sowie Ballaststoffe zur Regulation der Darmmotorik. Achte aber dennoch darauf, dass du deinem Vierbeiner Getreide nur in Maßen verfütterst – dann kann es eine gesunde Ergänzung für eine artgerechte Ernährung darstellen.