Erste Hilfe für Hunde: Ratgeber & Anleitung
Hunde sind wie Kinder: neugierig, bewegungsfreudig, mutig bis übermütig. Da wird gerannt, getobt, gespielt – allein oder zu zweit, mit dem Menschen gemeinsam oder sogar in einer größeren Hundegruppe.
Überall dort, wo mehrere Hunde aufeinandertreffen, kann es immer mal wieder zu Unfällen oder auch zu Streit kommen, der dann eventuell körperlich ausgetragen wird. Nicht selten gehen die Kontrahenten dann mit der einen oder anderen Schramme auseinander. Nur gut, wenn du als Hundehalter:in im Notfall weißt, wie du reagieren musst und schnell Erste Hilfe leisten kannst.
Wann und wie du bei leichten und schwereren Notfällen wie z. B. Bisswunden, Glasscherben in der Pfote, Insektenstichen oder einer Kreislaufschwäche Erste Hilfe leisten kannst, wird im folgenden Beitrag ausführlich erläutert und angeleitet.
Notfälle erkennen und beurteilen
Um feststellen zu können, ob ein Notfall vorliegt und Erste Hilfe geleistet werden muss, ist es notwendig, die Normwerte deines Hundes zu kennen. Nur wenn du die Werte der Vitalfunktionen weißt, kannst du Abweichungen davon bemerken und die notwendigen Maßnahmen dagegen einleiten.
In der folgenden Tabelle siehst du die wichtigsten Vitalwerte für Hunde. Damit du diese im Notfall immer zur Hand hast, haben wir dir zwei kleine Spickzettel erstellt, die du dir gerne runterladen und ausdrucken kannst. Am besten hast du die Zettel immer in deinem Portemonnaie bei dir, damit du im Zweifel schnell nachschauen kannst.
Vitalwerte beim Hund bestimmen
Einige dieser Normwerte kannst du ganz einfach ohne weitere Hilfsmittel feststellen, für andere brauchst du ein paar zusätzliche Tools. Die Körpertemperatur misst du z. B. am besten mit einem Fieberthermometer im After deines Hundes. Den Puls kannst du an der Innenseite der hinteren Oberschenkel an der sogenannten Arteria femoralis messen, den Herzschlag und somit die Herzfrequenz seitlich am Brustkorb. Für diese beiden Werte und die Erhebung der Atemfrequenz brauchst du eine Stoppuhr. Du kannst natürlich auch ganz einfach die Uhr in deinem Handy nutzen. Am besten zählst du die Schläge bzw. Züge 15 Sekunden lang und nimmst die Zahl dann mal vier. So kannst du ganz einfach die Frequenzen für eine Minute ermitteln.
Die Schleimhäute deines Hundes kontrollierst du am besten im Maul. Hebe dafür einfach die Lefzen an und schau dir die Innenseite im Inneren des Mauls und das Zahnfleisch an. Diese sollte eine rosarote Farbe haben und stets feucht sein. Durch vorsichtiges Öffnen des Mauls kannst du dann auch die Zähne zählen und auf ihre Vollständigkeit und Unversehrtheit prüfen. Auch Zahnstein kannst du so schnell feststellen.
Als Kapillarfüllungszeit oder kapillare Rückfüllzeit bezeichnet man in der Veterinärmedizin eine diagnostische Methode zur Feststellung der Durchblutung. Sie dient in der Notfallmedizin zur Einschätzung der Kreislaufsituation und des Hydratationsgrades bei Hunden. Die Kapillarfüllungszeit ist der Zeitraum zwischen der durch einen Fingerdruck erzeugten Verdrängung des Blutes und der wieder einsetzenden blassrosa Färbung der Maulschleimhaut.
Zum Messen der kapillaren Füllzeit hebe einfach die Lefzen deines Hundes an und drücke für ein paar Sekunden mit deinem Finger fest, aber mit Gefühl, auf die Mundschleimhaut bzw. das Zahnfleisch. Dadurch wird das Blut an dieser Stelle verdrängt, das Zahnfleisch erscheint nach dem Loslassen weiß und blass. Nachdem du den Finger losgelassen hast, beginne sofort mit dem Zählen. Nach zwei bis drei Sekunden sollte die Schleimhaut wieder normal rosa sein. Dauert es länger, kann das ein Hinweis auf einen Schock sein.
Das verrät die Farbe der Mundschleimhaut
- rosa – Normalzustand
- blass – Schock oder Blutarmut
- blau – Sauerstoffmangel
- grau – Vergiftung
- gelb – Leberproblem
Neben diesen wichtigen Vitalwerten kannst du außerdem immer auch die Lymphknoten deines Hundes kontrollieren. Diese sollten im Normalfall nicht tastbar sein. Wo die Lymphknoten beim Hund liegen, siehst du in der folgenden Abbildung.
Am besten nimmst du dir einmal ein wenig Zeit, um all diese Vitalwerte in Ruhe bei deinem gesunden Hund zu messen und zu dokumentieren. So kannst du im Notfall schnell deine Checkliste heranziehen und gucken, ob es Abweichungen vom Normalzustand gibt.
Verhaltensregeln im Notfall
In einer Notsituation kommt es manchmal auf jede einzelne Minute an. Trotzdem lautet das oberste Gebot: Ruhe bewahren. Hunde übernehmen sehr schnell die Stimmung von uns Menschen. Bleibst du auch im Notfall ruhig, wird das deinen Hund zumindest etwas beruhigen.
Um nachvollziehen zu können, was passiert ist und wie schwerwiegend die Situation ist, musst du dich zunächst dem Hund nähern. Auch wenn es sich um deinen eigenen Hund handelt, kann es sein, dass er auf die Annäherung unentspannt reagiert, da er unter Umständen starke Schmerzen hat. Noch angespannter könnte ein Hund sein, der dir vollkommen fremd ist. Deshalb achte immer an erster Stelle auf deine eigene Sicherheit, wenn du Erste Hilfe am Hund leisten möchtest.
Hund beruhigen und dich selbst vor Verletzungen schützen, indem du den Hund anleinst und ggf. mit einem Maulkorb sicherst.
Bringe den Hund aus der Gefahrenzone und stabilisiere ihn zunächst, bevor du den Tierarzt bzw. die Tierklinik kontaktierst.
Leite nun die notwendigen Erste Hilfe Maßnahmen ein, um die Vitalfunktionen des Hundes zu erhalten.
Nachdem du den Hund stabilisiert und Erste Hilfe Maßnahmen geleistet hast, bringe ihn so schnell wie möglich zum nächstliegenden Tierarzt bzw. in die Tierklinik.
Nähere dich dem Hund ruhig und langsam von der Seite. Bitte niemals frontal auf einen Hund zugehen und diesen auch auf keinen Fall anstarren. Halte dem Hund deine Hand hin, damit er in Ruhe an dir schnuppern kann. Bevor du beginnst, ihn zu untersuchen und die Vitalfunktionen zu messen, stelle sicher, dass der Hund nicht weglaufen oder dich beißen kann. Am besten sicherst du ihn mit einer Leine am Halsband und – wenn vorhanden – mit einem Maulkorb oder einer Maulschlaufe. Erst dann solltest du mit den Erste Hilfe Maßnahmen beginnen.
Außerdem solltest du bei schwierigeren Fällen immer einen Notruf absetzen. Kontaktiere dafür am besten den nächstliegenden Tierarzt, Tierklinik, Tierrettung etc. und gib kurze, knappe, präzise Informationen zur vorliegenden Situation, ohne sie zu bewerten oder zu interpretieren. Schildere dafür folgendes:
- Was ist passiert?
- Wo ist es passiert?
- Wann ist es passiert?
- Ist das Tier ansprechbar und bei Bewusstsein?
Was sind Notfälle beim Hund?
Notsituationen zu erkennen und zu beurteilen ist manchmal gar nicht so einfach. Manche Situationen sehen schlimmer aus als sie tatsächlich sind oder andersherum liegt eine Notsituation vor, die aber äußerlich nicht sofort zu erkennen ist.
Bei schwerwiegenden Notsituationen unterscheidet man grundlegend zwischen Notfällen und lebensbedrohlichen Notfällen. Die folgenden Auflistungen sollen dir helfen, diese Situationen erkennen und einschätzen zu können und die richtigen Maßnahmen dagegen einzuleiten.
Lebensbedrohliche Notfälle
Wenn sich dein Hund in einer lebensbedrohlichen Situation befindet, muss sofort mit den entsprechenden Erste Hilfe Maßnahmen begonnen werden. Nur so kannst du deinen Hund stabilisieren und es schaffen, ihn noch rechtzeitig zum Tierarzt oder in die Tierklinik zu bringen und damit sein Leben zu retten.
Zu den lebensbedrohlichen Notfällen zählen:
Notfälle
Auch bei nicht lebensbedrohlichen Notfällen braucht dein Hund 1. Hilfe, um eine Stabilisierung oder Linderung seines Zustandes zu bewirken. Im Anschluss an deine Erste Hilfe Maßnahmen sollest du deinen Hund trotzdem immer einem Tierarzt vorstellen, um eine weitere Behandlung durchzusprechen.
Zu den Notfällen zählen:
Natürlich gibt es auch noch weitere kleinere und größere Problemchen, die du mit guten Erste Hilfe Kenntnissen grundversorgen kannst. In jedem Fall gilt jedoch: suche nach der Erstversorgung unbedingt deinen Tierarzt oder eine Tierklinik auf. Nur so kannst du sichergehen, dass nicht doch mehr passiert ist, als es zunächst den Anschein macht. Hier gilt in jedem Fall: lieber einmal mehr zum Tierarzt gehen!
Was gehört in ein Erste-Hilfe-Set?
Damit du in Notfällen auch die entsprechende Erste Hilfe leisten kannst, solltest du immer ein Erste-Hilfe-Set auf deinen Spaziergängen und im Alltag zur Hand haben. Ein gutes Erste-Hilfe-Set sollte folgendes enthalten:
- Pinzette
- Schere
- Zeckenzange
- Fieberthermometer
- Aktivkohle
- Vaseline
- Wundsalbe
- Rettungsdecke
- Maulkorb oder Maulschlaufe
- Einmalhandschuhe
- selbstkühlende Kälte-Kompressen
- Desinfektionsmittel
- Verbandsmaterial
- Checkliste mit Vitalwerten
Checkliste für den Notfall
Wichtig ist, dass du in deinem 1. Hilfe-Set auch eine Checkliste mit allen wichtigen Kontakten für den Notfall aufbewahrst. Dazu zählen:
- Adressen und Telefonnummern deines Tierarztes, der Tierklinik, vom Tiernotruf oder Tiernotdienst
- ggf. Telefonnummer deines Hundesitters oder eines Tiertaxi o.ä.
- Telefonnummern von Personen, die im Notfall benachrichtigt werden sollen
- Kopie des Impfpasses oder zumindest Basisangaben zu Chipnummer, Alter, aktuellen Impfungen etc.
- Liste mit den Vitalwerten deines Hundes
Medical Training für Hunde
Die beste Vorbereitung für eine schnelle und effektive 1. Hilfe, wenn du mit deinem Hund bereits im Alltag verschiedene Abläufe übst, die im medizinischen Notfall angewendet werden müssen. Zu diesem sogenannten Medical Training zählen unter anderem:
- Vitalwerte ermitteln
- Fieber messen
- Zecken entfernen
- Ohren reinigen
- Augentropfen verabreichen
- Krallen schneiden
- Pfoten pflegen
- Maul öffnen und Zähne untersuchen
- Wunden richtig versorgen
- Pfoten- und Ohrenverbände anlegen
- Trageübungen mit und ohne Decke
Vitalwerte, Augen und Ohren
Aufgaben wie Fieber messen, Zecken entfernen, Ohren reinigen und Augentropfen verabreichen treffen jeden Hund und Hundehalter eher früher als später. Übe diese Techniken daher am besten schon spielerisch im Welpenalter und belohne deinen Hund am Ende immer mit einem tollen Leckerli.
Das Reinigen der Ohren ist vielmehr eine alltägliche Aufgabe als eine Erste Hilfe Maßnahme. Vor allem Hunde mit Schlappohren neigen zu Ohrenentzündungen oder sammeln gerne Dreck im Ohr an. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Ohren deines Hundes regelmäßig mit einem natürlichen Ohrreiniger sauber zu machen und auszuwischen.
Gleiches gilt für die Pflege der Pfoten. Genau wie wir Menschen sind unsere Hunde ihr Leben lang auf ihren Füßen unterwegs. Daher sollten diese stets gut gepflegt und gesund sein. Das regelmäßige Eincremen mit einem natürlichen Pfotenbalsam kann deinen Hund sowohl vor starker Hitze im Sommer als auch vor klirrender Kälte und Streusalz im Winter schützen und sorgt dafür, dass dein Hund jederzeit unbeschwert durch das Leben gehen kann.
Pfotenbalsam
Ein Pfotenbalsam aus 100 % natürlichen Inhaltsstoffen für geschmeidige und gesunde Pfotenballen.
Ohrenpflege
Natürliche Ohrenpflege, wirkt hervorragend gegen Pilze und Bakterien und pflegt das Ohr deines Vierbeiners.
Maulkorb
Hunde, die weder einen Maulkorb noch eine Maulschlaufe kennen, diese aber beim Tierarzt oder in einer Notsituation tragen sollen, geraten zusätzlich in Stress. Da das Stresslevel im Notfall so gering wie möglich gehalten werden sollte, empfehlen wir dir, regelmäßig im Alltag das Tragen des Maulkorbes zu trainieren und deinen Hund so daran zu gewöhnen. Lass dich beim Kauf des Maulkorbes am besten im Fachhandel beraten. Nur wenn ein Maulkorb gut sitzt, wird er auch gut von deinem Hund angenommen und gerne getragen. Schlechtsitzende Maulkörbe und Maulschlaufen sind für den Hund hingegen sehr unangenehm und können sogar Risiken mit sich bringen, wenn sie z. B. das Hecheln einschränken oder gar verhindern.
So funktioniert ein gutes Maulkorbtraining
Am besten machst du den Maulkorb für deinen Hund so richtig schmackhaft. Nimm z. B. ein wenig Leberwurst, Quark oder Nassfutter und schmiere dies von innen an das Ende des Maulkorbes. Lass deinen Hund nun freiwillig seine Schnauze in den Korb stecken und die Leckereien ausschlecken. Wiederhole dieses Vorgehen mehrmals, ohne dass du den Maulkorb dabei schließt oder gegen den Willen deines Hundes aufsetzt.
Nach und nach kannst du nun die Zeit steigern, die dein Hund mit seiner Schnauze in dem Maulkorb verbringt. Das funktioniert am besten, indem du anfängst, die Belohnung (z. B. Leberwurst) nun von außen durch die Stäbe des Maulkorbes anzubieten. Auch diesen Schritt wiederholst du über mehrere Tage regelmäßig.
Klappt das gut, kannst du schließlich den Maulkorb richtig anziehen und verschließen. Zunächst nur für wenige Sekunden und immer mit ausreichend Belohnung von außen. Nach und nach steigerst du die Zeit, die der Maulkorb getragen wird und lässt die Belohnung immer weniger werden. Der Maulkorb sollte dann ohne Probleme akzeptiert werden.
Auf jeden Fall gilt es hier mit viel Geduld zu arbeiten und im Zweifel wieder einen Schritt zurückzugehen, wenn der Hund großes Meideverhalten zeigt. Schließlich soll der Maulkorb wie z. B. ein Halsband zu einem ganz normalen Kleidungsstück für deinen Hund werden – und ja, das ist mit einem guten Training problemlos möglich.
Verbände anlegen
Wunden an den Pfoten gehören zu den häufigsten Verletzungen bei Hunden. Damit du in einer Notsituation nicht hilflos dastehst, übe auch das Anlegen von Pfoten- oder Ohrenverbänden und den Ablauf einer Wundversorgung an deinem Hund.
In jedem Fall sollte die Wunde im ersten Schritt mit sauberem Wasser gereinigt und eventuell störende Haare vorsichtig zurückgeschnitten werden. Anschließend solltest du die Stelle desinfizieren. Entferne nun mit einer Pinzette mögliche Fremdkörper wie Dornen oder Scherben aus der Pfote. Bringe anschließend eine sterile Wundauflage auf die Pfote auf und lege zwischen jede Zehe ein Wattepolster. Verbinde nun die gesamte Pfote mit einer weichen Mullbunde und fixiere sie mit einem Pflaster. Dieser weiche Verband sollte nun noch einmal mit einem stabileren Verband umwickelt werden – aber Achtung: nicht zu fest! Ideal hierfür sind selbstklebende Verbände oder auch ein Pfotenschuh.
Termine für Erste-Hilfe-Kurse
An dieser Stelle möchten wir dir die Erste-Hilfe-Kurse unserer Natur- und Tierheilpraktikerin Michaela Gemüth ans Herz legen. Bei ihr kannst du Kurse zum Thema 1. Hilfe am Hund in der schönen Prignitz oder auch in Schweden belegen.
Geplante Termine für 2022:
- DE / Prignitz - Samstag, den 07.05.2022 / 11 - 19 Uhr
- SE / Kalmar - Samstag , den 11.06.2022 / 11 - 19 Uhr
- DE / Prignitz - Samstag, den 15.10.2022 / 11 - 19 Uhr
- SE / Kalmar - Samstag , den 01.10.2022 / 11 - 19 Uhr
Erste-Hilfe-Kurs für Hundebesitzer
Wenn du die vorbereitenden Übungen und dein Wissen rund um das Thema 1. Hilfe am Hund in einem Kurs erlernen und üben möchtest, dann schau doch einfach mal im Internet nach einem entsprechenden Kurs in deiner Nähe. Viele Hundeschulen aber auch Tierarztpraxen o. ä. bieten solche Workshops an. Dort kannst du gezielt in einer kleinen Gruppe die Erste Hilfe Maßnahmen praktisch üben und all deine Fragen loswerden. Das ist definitiv die beste Möglichkeit, dich auf den Ernstfall vorzubereiten und stets gut gewappnet zu sein.